Anleihe - Verzinsliche Wertpapiere, Renten oder Bonds

Anleihen werden von ihren Herausgebern (Emittenten) als langfristiges Mittel zur eigenen Refinanzierung genutzt. Anders als bei Aktien erwerben Anleger mit dem Kauf von Anleihen keine Anteile an Unternehmen, sondern leihen dem Emittenten der Anleihe Geld. Der Käufer einer solchen Schuldverschreibung (Gläubiger) ist im Besitz einer Geldforderung gegenüber dem Emittenten (Schuldner).

Unternehmen oder Staaten benötigen manchmal für verschiedene Zwecke Geld, das sie aber nicht immer in dem Umfang zur Verfügung haben. Wer Geld in Anleihen investiert, gewährt einem Staat (in Deutschland sind dies Bund, Länder, staatliche oder staatsnahe Institutionen), einem Finanzinstitut oder Unternehmen einen Kredit. Anleihen verbriefen Käufern gegenüber dem Kreditnehmer (Herausgeber der Anleihe) einen Anspruch auf Rückzahlung bzw. Erstattung ihrer Investition nebst Zinsen als Entgelt für die Kapital-Überlassung. Im Finanzwesen meint man mit Verbriefung die Bündelung eines Pakets von gleichartigen Forderungen, z.B. Hypotheken-Darlehen oder Unternehmens-Kredite, und deren Umwandlung in handelbare Wertpapiere. Um schnell an Geld zu kommen, ist der Weg über handelbare Wertpapiere oftmals der einfachere und günstigere als der über eine Bank, welche natürlich auch Kredite vergeben.

1. Bestandteile von Anleihen

Die Konditionen zu denen Käufer einer Anleihe ihre Investition erstattet und ihre Zinsen ausgezahlt bekommen, sind in den Bedingungen zur Anleihe (Emissions-Bedingungen) vermerkt. Zur Ausstattung einer Anleihe gehören neben dem Ausgebejahr vor allem eine vorgegebene Laufzeit, die Tilgungsform, die Währung, der Rang im Insolvenzfall bzw. bei Liquidation des Schuldners und ob die Anleihe mit einer festen oder variablen Verzinsung ausgestattet ist - daher auch die Bezeichnung Verzinsliche Wertpapiere. Man spricht in diesem Kontext auch gern von Rentenpapieren - von afrz. rente 'Rückgabe, regelmäßige Einkünfte', aus vlat. rendita 'Pachtzins, Einkommen ohne Arbeitsleistung' eigentlich '(von einem Pächter oder Schuldner) Zurückerstattetes'. Zur Beschreibung (Ausstattung) einer Anleihe zählen folgende Informationen im Einzelnen:

  • Nennwert: Festverzinsliche Wertpapiere haben einen bestimmten Nennwert; das ist der Betrag, den der Emittent dem Inhaber der Anleihe schuldet. Dieser Nennbetrag, auch 'Par Value' oder Nominalwert genannt, ist auf der Anleihe aufgedruckt und vom tatsächlichen, aktuellen Wert, dem Kurswert, abzugrenzen.
  • Laufzeit: Bei Anleihen und anderen Wertpapieren ist die Laufzeit die Dauer über die der Kredit gewährt wird. Genauer gesagt: Der zuvor festgelegte Zeitraum zwischen dem Tag der Emission der Anleihe und dem Tag der Schuldentilgung, also der Rückzahlung des geliehenen Geldes, ist die Laufzeit. Dabei können Anleihen eingeteilt werden in kurzfristige Anleihen (Laufzeit bis vier Jahre), mittelfristige Anleihen (zwischen vier bis acht Jahren Laufzeit) und langfristige Anleihen (mehr als acht Jahre Laufzeit).
  • Tilgung: Die Rückzahlung eines Kredits wird Tilgung genannt. Der Käufer der Anleihe (Kreditgeber) erhält mit der Tilgung sein geliehenes Geld vom Emittent (Kreditnehmer) zurück. Eine Tilgung von Anleihen erfolgt entweder planmäßig oder außerplanmäßig. "Planmäßig" kann dreierlei bedeuten: 1.) Bei gesamtfälligen Anleihen erhalten Inhaber den Nennwert ihrer Anleihe in einer Summe am Stück am Ende der Laufzeit ausgezahlt. 2.) Annuitäten-Anleihen werden nicht auf einmal in einem Stück, sondern in gleichen Jahresraten zurückgezahlt. 3.) Auslosungsanleihen werden nach Ablauf einer gewissen Zahl tilgungsfreier Jahre zu verschiedenen zuvor festgelegten Terminen zurückgezahlt. Wobei niemand sagen kann wessen Anleihe am nächstfälligen Rückzahlungstermin an der Reihe ist, da diese durch den Emittenten über ein Auslosungsverfahren (meist nach Endziffern, Serien oder Gruppen) ermittelt werden.
    "Außerplanmäßig" bedeutet ein Emittent behält sich das Recht auf außerplanmäßige Rückzahlung der Anleihe durch Kündigung vor, meist unter Vereinbarung von zunächst kündigungsfreien Jahren. Auch Käufer von Anleihen können ein vorzeitiges Recht zur Kündigung in den Anleihebedingungen eingeräumt bekommen.
  • Verzinsung: Für die Zeit, in der sich die Anleihe im Besitz des Käufers befindet, stehen diesem anteilig Zinsen auf das nominal eingesetzte Kapital (Nennwert des Wertpapiers) zu. Neben dem 'klassischen' Festzins und variablen Zinssatz, welcher den jeweiligen Marktbedingungen angepasst ist, sind diverse Mischformen der Verzinsung bzw. eine strukturierte Verzinsung (abhängig von bestimmten Ereignissen) möglich. Festzins-Anleihen (Straight Bonds) haben eine gleichbleibend feste Verzinsung über die gesamte Laufzeit. In Deutschland werden Zinsen meist jährlich, in anderen Ländern meist halbjährlich, am Ende der entsprechenden Zahlungsperiode gezahlt.
    Anleihen mit variablem Zins (Floating Rate Notes, kurz 'Floater') liefern keinen festen, sondern einen variablen Zinsertrag. Dieser wird nach der jeweiligen Zinsperiode, z.B. nach drei, sechs oder zwölf Monaten, vom Herausgeber der Anleihe ausgezahlt, bei gleichzeitiger Bekanntgabe des neuen Zinssatzes für die folgende Zinsperiode. Dieser neue Zinssatz orientiert sich an einem Referenzzinssatz, meist an Geldmarktsätzen wie €STR (Euro Short-Term Rate) oder EURIBOR (European Interbank Offered Rate). Diese Sätze sollen wiedergeben, wieviel Banken zahlen müssten, wenn sie bei verschiedenen finanziellen Gegenparteien (z.B. Banken, Geldmarktfonds, Zentralbanken, Investment- oder Pensionsfonds) bis zum nächsten Geschäftstag Geld aufnehmen würden, ohne Sicherheiten dafür zu stellen (unbesicherte Übernacht-Geldaufnahme).
  • Währung: Beim Kauf von Anleihen können Anleger prinzipiell wählen zwischen EUR-Anleihen und Fremdwährungsanleihen (Anleihen, die auf eine ausländische Währung lauten). Ein Sonderfall sind Doppelwährungsanleihen, bei denen die Kapitalrückzahlung und Zinszahlung in verschiedenen Währungen möglich ist.
  • Rang bei Insolvenz oder Liquidation des Schuldners: Im Falle der Insolvenz oder der Liquidation des Herausgebers einer Anleihe wird zwischen vorrangigen, gleichrangigen und nachrangigen Anleihen unterschieden, je nachdem, ob Ansprüche des Käufers der Anleihe im Verhältnis zu anderweitigen Gläubigern bevorzugt, gleichberechtigt oder nachrangig bedient werden.

2. Chancen & Risiken beim Erwerb von Anleihen

2.1. Chancen

Anleihen gelten meist als sehr sichere Kapitalanlage und werden daher gern im Rahmen der Vermögensstreuung (Diversifizierung, Risikostreuung) als Absicherung eines Depots genutzt. Als Vermögensanlage bergen Anleihen prinzipiell zweierlei Chancen, Einnahmen zu erzielen: zum einen in Form von Zinszahlungen des Schuldners während oder am Ende der Laufzeit, zum anderen durch Wertsteigerungen während der Laufzeit (Differenz zwischen Ankaufs-/Ausgabepreis der Anleihe und ihres Verkaufs-/Rücknahmepreises).
  • Durch Anleihen können Anleger eine Rendite erzielen, wenn Zinsen ausgezahlt werden oder sie die Anleihe an der Börse verkaufen.
  • Kursgewinne steigern die Rendite
  • Es besteht die Möglichkeit der Verpfändung bei Aufnahme von Bankkrediten.
  • Bei Anleihen in Fremdwährung sind Währungsgewinne abhängig von der Entwicklung des Devisenkurses möglich.
  • mittel- und langfristiger Anlagehorizont
  • Sicherheit der Papiere - da Anleihen schwankungsärmer als Aktien sind, nutzen viele Fondsmanager Anleihen, um ihre Fonds weniger riskant zu gestalten.
  • Die Entwicklung von Anleihen ist häufig gegenläufig zu den Aktienkursen, so dass sich Anleihen als Ausgleich und Stabilisierung im Portfolio eignen.

2.2. Risiken

Anleihen unterliegen zunächst typischen Basisrisiken, welche für alle Anlageinstrumente gleichermaßen zutreffen: Konjunkturrisiko, Inflationsrisiko (Kaufkraftrisiko), Länder- und Transferrisiko, psychologische Einflussfaktoren auf das Marktumfeld (Psychologisches Marktrisiko), steuerliche Risiken, Liquiditätsrisiko, Währungsrisiko, Kursschwankungen (siehe Volatilität), Risiken beim kreditfinanzierten Wertpapierkauf. Daneben bestehen bei verzinslichen Wertpapieren folgende spezielle Risiken:
  • Bonitätsrisiko: Das Bonitätsrisiko (auch: Schuldner- oder Emittentenrisiko) bezieht sich auf das Risiko einer Geldeinbuße aufgrund der Zahlungsunfähigkeit bzw. Illiquidität des Herausgebers der Anleihe, also eine mögliche, zeitweise oder endgültige Unfähigkeit des Schuldners seinen fristgerechten Zins- und/oder Tilgungspflichten nachzukommen. Ein Totalverlust ist nicht ausgeschlossen, sollte der Schuldner bzw. Kreditnehmer Pleite gehen.
  • Zinsänderungsrisiko: Vom Zinsänderungsrisiko betroffen sind Inhaber von Anleihen, die ihre Anleihe vor Laufzeitende verkaufen müssen oder auf Kursgewinne spekulieren und deswegen verkaufen. Das Risiko dabei besteht darin, dass die Rückzahlung bei vorzeitigem Verkauf unter dem Nennwert zzgl. des fest vereinbarten Zinssatzes liegen kann. Der Grund ist: Verzinsliche Wertpapiere werden, wie Aktien auch, an den Märkten gehandelt; Renditen und Kurse laufen dabei in gegenläufige Richtungen. Angenommen bei Ausgabe der Anleihe entspricht der Anleihenkurs zunächst dem Nennwert der Anleihe und beträgt somit 100%. Während der Laufzeit kann der Marktzins den Kurs einer Anleihe nach oben oder unten beeinflussen; bei steigenden Kapitalmarktzinsen sinkt der Kurs von festverzinslichen Wertpapieren und umgekehrt. Steigt der Marktzins gegenüber dem festen Zinssatz der Anleihe, dann ist ein Käufer nicht bereit, den ursprünglichen Wert für die Anleihe zu zahlen, da ihr Zinssatz gegenüber dem aktuellen Marktzins niedriger ist. Daher sinkt der Kurs der Anleihe, wenn der Marktzins steigt. Bei einem sehr starken Anstieg des Marktzinses kann der Anleihekurs sogar unter den Nennwert von 100% (unter pari) fallen. Sinkt der Marktzins hingegen, dann steigt der Kurs der Anleihe, unter Umständen sogar über ihren Nennwert von 100% (über pari). Im wahrsten Sinne des Wortes hoch im Kurs stehen Anleihen mit langer Laufzeit, da Schwankungen des Marktzinsumfelds hier besonders kräftig zu Buche schlagen. Man kann spekulieren, dass ein vorzeitiger Verkauf solcher Anleihen letztlich einen höheren Preis erzielt als eine Rückzahlung am Ende der Laufzeit zum Nennwert zuzüglich des fest vereinbarten Zinssatzes. Man trägt aber auch das Zinsänderungsrisiko.
  • Kündigungsrisiko: Der Emittent einer Anleihe kann sich in den Emissionsbedingungen ein vorzeitiges Kündigungsrecht vorbehalten. Dieses einseitige Kündigungsrecht wird gern bei der Emission von Anleihen in Phasen eines hohen Marktzinses in den Anleihe-Konditionen verankert, sozusagen in Erwartung eines möglicherweise darauf folgenden niedrigeren Marktzinsniveaus: Bei sinkenden Marktzinsen steigen nämlich die Anleihe-Kurse. Für Inhaber solcher Anleihen besteht dann das Risiko, dass der Emittent sein Kündigungsrecht umsetzt. Dadurch kann er zum einen Verbindlichkeiten abbauen (er müsste ansonsten, trotz des niedrigeren Marktzinses, den nun vergleichsweise hohen, vereinbarten Zins weiterzahlen), zum anderen kann er seine Anleihe zu einem höheren Kurs wieder auf den Markt bringen, um sich so wiederum günstiger zu refinanzieren und seine Zinslast zu verringern - der aktuelle Zinsbetrag von Anleihen orientiert sich an dem gegenwärtig niedrigeren Marktzinsniveau. Vorteilhaft für Eigentümer solcher Anleihen ist, dass meist im Vorfeld beim Kauf Renditeaufschläge gewährt wurden, im Gegensatz zu Anleihen ohne Kündigungsrecht.
  • Auslosungsrisiko: Dieses Risiko besteht bei Tilgungsanleihen. Dies sind Anleihen, die in Teilbeträgen (Serien) zurückgezahlt werden; die Tilgung der Teilbeträge erfolgt dabei durch Auslosung. Die unsichere rechnerische Laufzeit solcher Tilgungsanleihen, der Anleger weiß nicht wann sein Teilbetrag ausgelost und fällig wird, birgt die Gefahr einer für den Inhaber der Anleger nachteiligen Renditeverschiebung. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn eine solche Anleihe zu einem Kurs von über 100% (über dem Nennwert) erworben wurde und die Rückzahlung der Wertpapiere aufgrund der Auslosung zu einem unerwartet frühen Zeitpunkt zu Pari, also zu einem schlechteren Kurs, fällig wird. Tilgungsanleihen sollten deshalb eine höhere Rendite vorsehen, eben weil der Anleger ein zusätzliches Risiko zu tragen hat. Das Auslosungsrisiko ist nicht gleichzusetzen mit dem Kündigungsrisiko. Bei einem Losverfahren wird in jedem Fall ein Teil der Anleihen vorzeitig zurückgezahlt. Welche Anleihen davon betroffen sind, bestimmt der Zufall. In Anbetracht einer potentiellen Renditeverschlechterung bei Tilgungsanleihen sollte das Auslosungsrisiko insbesondere dann Berücksichtigung finden, wenn die Erträge einer Anleihe als Budget einkalkuliert werden, z.B. als Teil des Einkommens.

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